Diffusion - Berechnungsmodelle

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Berechnungsmodelle für Diffusionsvorgänge

Ergänzter Auszug einer von MOLL bauökologische Produkte GmbH initiierten Sanierungs-Studie[1]:

Für die Berechnung der Feuchtetransporte durch Diffusion innerhalb der Konstruktion stehen verschiedene Berechnungsmodelle mit unterschiedlicher Genauigkeit, bzw. stationäre und dynamische Rechenverfahren, zur Verfügung.

Berechnung nach DIN 4108-3, DIN EN ISO 13788 und SIA 180

Glaser-Verfahren

In der DIN 4108-3 wird die Tauwasser- bzw. Verdunstungsmenge, die durch Diffusion in das betrachtete Bauteil hinein- bzw. heraus gelangen kann, mit standardisierten Klimabedingungen im stationären Berechnungsverfahren nach dem "Glaser-Verfahren" errechnet. Für die Berechnung stehen 2 Blockklimate (Winter- bzw. Sommerklima) zur Verfügung.

Verfahren nach Glaser mit Jenisch-Klimadaten

Als Option ist in der DIN 4108-3 das Verfahren nach Jenisch enthalten. Dieses liefert differenziertere Ergebnisse aufgrund regional angepasster Klimarandbedingungen.

Beide in der DIN 4108-3 genannten Ansätze erlauben keine detaillierte Betrachtung der Wärme- und Feuchteströme. Es ist nicht möglich, den genauen Feuchtegehalt eines der eingesetzten Materialien zu bestimmen oder wichtige Transportmechanismen wie Sorption und [Kapillarität]] zu berücksichtigten. Das Glaser-Verfahren dient seit Jahrzehnten im Baubereich ausschließlich der groben Abschätzung von Tauwasser- bzw. Verdunstungsmengen.

Die DIN 4108-3 verweist deshalb darauf, dass dieses Verfahren nicht für begrünte Dachkonstruktionen als Nachweis der Bauschadensfreiheit geeignet ist, sondern instationäre Simulationsverfahren verwendet werden müssen.

Gemäß SIA 180 ist in der Schweiz der Nachweis mit 'Jenisch'-Klimadaten zu führen.

Genaue Ergebnisse mit instationären Berechnungsmodellen
Stationäre Modelle

=> liefern grobe Anhaltswerte

Instationäre Modelle

=> liefern genauste Werte für Feuchtegehalte für jede Position im Bauteil
- ideal für die Berechnung der Bauteilsicherheit

Berechnung nach DIN EN 15026

Wirklich realistische Ergebnisse liefern die instationären Berechnungsverfahren. Bekannte Softwarelösungen sind

Diese Programme berechnen den gekoppelten Wärme- und Feuchtetransport in der Konstruktion basierend auf

  • realen Klimadaten, inkl. der Berücksichtigung von Temperatur und Feuchte, Sonnenlicht absorption, Wind, Verdunstungskälte,
  • das Baustoffverhalten hinsichtlich Sorption und Kapillarität und
  • der geographischen Ausrichtung der Gebäudeteile (Neigung, Himmelsrichtung)

Die Programme wurden mehrfach validiert, d. h. dass die Ergebnisse aus den Rechnungen mit Freilandversuchen verglichen wurden. Für die Berechnung werden die entsprechenden Klimadaten eines Jahres als Stundenwerte benötigt. Es stehen Klimadaten von einigen tausend Messstationen rund um den Erdball zur Verfügung. Diese beinhalten sowohl gemäßigte als auch extreme Klimabereiche.

Für die Simulationsberechnungen wird das Bauteil mit seiner Schichtenfolge in das Programm eingegeben und ein mehrjähriger Verlauf analysiert. Es ist dann ersichtlich, ob sich Feuchtigkeit im Bauteil akkumuliert, d. h. der Gesamtfeuchtegehalt der Konstruktion über den betrachteten Zeitraum ansteigt, oder ob das Bauteil trocken bleibt.

Feuchtigkeitsgehalt und Temperatur können für jeden Punkt der betrachteten Konstruktion ausgegeben werden.

Auf diese Weise ist aber nicht erkennbar, wie hoch die Trocknungsreserve einer Konstruktion ist.

Alle beschriebenen Berechnungsmodelle gehen davon aus, dass die Schichten im Bauteil luftdicht sind.


Glaser-Verfahren versus WuFi

MOLL bauökologische Produkte GmbH - TIK 04-2012 [2]:

Welches Verfahren ist das Richtige? Diese Frage stellt sich demjenigen der sich Gedanken um die Gebrauchstauglichkeit von vor allem bauphysikalisch kritischen Bauteilen macht. Das in DIN 4108-3 verankerte Glaserverfahren lässt sich nicht für alle Konstruktionen ansetzen. Zu dem haben sich im Laufe der Zeit instationäre, dynamische, so genannte „numerische“, Verfahren entwickelt mit welchen Bauteile deutlich genauer und differenzierter betrachtet werden können.
Welches Verfahren bietet nun die größtmögliche Bauteilsicherheit? Durch welches Verfahren lassen sich bauphysikalisch kritische Bauteile sicher beurteilen?

DIN 4108-3, Glaser-Verfahren

Helmut Glaser veröffentlichte Ende der 50er Jahre das nach ihm benannte Verfahren zur Betrachtung von Feuchte und Wärme innerhalb von Konstruktionen. Um den Zeitbedarf der, damals mit Rechenschieber und Bleistift, durchgeführten Berechnungen im Rahmen zu halten musste Glaser das Verfahren stark vereinfachen. Daher wurde und wird das Klima en bloc betrachtet. Ein 60-Tage Winter mit konstantem Klima, außen –10°C und 80% und innen 20°C und 50% Luftfeuchtigkeit. Dagegen steht ein 90-Tage Sommer mit ebenso konstantem Klima, außen 12°C und 70% Luftfeuchtigkeit und innen 12°C und 70%. Diese starke Vereinfachung mit starren Rahmenbedingungen ermöglicht eine schnelle Ergebnisdarstellung für die anfallende Diffusionsfeuchte und den Wärmedurchgangskoeffizienten eines Bauteils. Das Verfahren kann ausschließlich Diffusionsvorgänge bei 100%iger Luftdichtheit betrachten.

Gemäß Normenlage sind nur Gründächer von der Berechnung mit dem Glaser-Verfahren ausgenommen. Bei Dächern mit Abdichtung wird im Anhang der Norm unter B.3 im Rechenbeispiel ein Bahnendach beschrieben bei welchem ausdrücklich vermerkt ist, dass diese Konstruktion mit einer zusätzlichen Kieslage versehen sein könnte. In der Beispielberechnung wird die Kieslage jedoch nicht berücksichtigt. Auf eine Auswirkung auf das Ergebnis der Berechnung wird nicht hingewiesen. Unter heutigen Gesichtspunkten verändert jedoch eine solche zusätzliche Deckschicht sehr wohl das Verhalten der Konstruktion.

Das Glaser-Verfahren bietet damit lediglich eine grobe Einschätzung von Konstruktionen. Das Verfahren ist zwar international in EN ISO 13788 integriert, wurde jedoch in der Schweiz schon für die meisten bauphysikalisch anspruchsvollen, nach außen hin diffusionsdichten, Konstruktionen als unzulässig eingestuft und durch numerische Simulationsrechnungen ersetzt. In Deutschland dient es vorerst weiterhin im Rahmen der DIN 4108-3 zur Ermittlung des erforderlichen Wärmeschutzes und des zulässigen Tauwasserausfalls.

Das Glaser-Verfahren ist nicht in der Lage reale Prozesse innerhalb eines Bauteils, von Strahlungsabsorption bis Feuchtewanderung, zu berücksichtigen. Ebenso wenig ist es möglich innerhalb der Berechnung ein reales Baustoffverhalten, z.B. feuchteabhängige Diffusionswiderstände oder feuchteabhängige Wärmedämmeigenschaften, abzubilden.

DIN EN 15026, Berechnung gekoppelter Wärme- und Feuchtetransporte

Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Forschungsinstitute mit den tatsächlichen Wärme- und Feuchtetransportvorgängen in Konstruktionen beschäftigt und dazu Bauteilversuche im Freiland und Labor durchgeführt. Aus den gewonnenen Daten und Erkenntnissen wurden numerische Verfahren zur dynamischen Simulation entwickelt und immer wieder durch Versuche nachgeprüft und die Ergebnisse dadurch bestätigt (validiert). DIN EN 15026 stellt nun seit 2007 unter dem Titel: „Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Bauelementen – Bewertung der Feuchteübertragung durch numerische Simulation“ die Grundlage dieser Verfahren dar.

Was ist der Unterschied zum Glaserverfahren?

Die numerische Simulation berücksichtigt Einflüsse aus unterschiedlichen, instationären klimatischen Randbedingungen auf mehrschichtige Bauteile. Sie bildet die einzelnen Baustoffe mit ihren Materialeigenschaften, wie z.B. Feuchtetransport, -speicherung und –übertragung, sehr exakt ab. Das Klima wird in Form von Stundenwerten für Temperatur und Feuchte mit den entsprechenden Niederschlägen in die Simulation integriert.

Feuchte- und Wärmebewegungen in Bauteilen können z.B. sein: Trocknung von Materialanfangsfeuchten, Kondensation und Feuchteansammlung in Poren durch Diffusion im Winter, Schlagregen, sommerliche Rücktrocknung, bzw. Sommerkondensat bei innen diffusionsdichten Konstruktionen.
Der Planer kann die Eingangsdaten, wie z.B. Neigung des Bauteils, Raum- und Außenklima, Anfangsfeuchte der Baustoffe, etc. festlegen. Aus den Daten wird dann in der Simulation das Verhalten des Bauteils ermittelt. Danach muss das Ergebnis ausgewertet werden und die Gebrauchstauglichkeit festgestellt werden.

Kriterien für ein sicheres Bauteil

Im Vergleich zum Glaser-Verfahren bietet eine numerische Simulation eine wesentlich genauere Darstellung des tatsächlich zu erwartenden Bauteilsverhaltens. Die Entscheidung ob ein Bauteil jedoch gebrauchstauglich ist muss die ingenieurmäßige Auswertung feststellen.
Dafür sind Kriterien festzulegen welche sicherstellen, dass kein Bauschaden entsteht. Kriterien und Ausgangsbedingungen sollten sich, auch bei generellen Aussagen, den bauphysikalisch schwierigen Anforderungen zuwenden und diese abdecken.

Die pro clima Bauphysikstudie zum Bauschadensfreiheitspotentials zieht daher in den Dachkonstruktionen anspruchsvolle Parameter, wie z.B. Dachausrichtung nach Norden, große Dachneigung, geringe Strahlungsabsorption u.a., heran. Mit anspruchsvollen Parametern lässt sich dann ein großes Feld von Anwendungsmöglichkeiten innerhalb bestimmter geographischer Regionen abdecken.

Für ein sicheres Bauteil wird ein großes Bauschadensfreiheitspotential angestrebt, das wie folgt definiert ist:
Das Bauschadensfreiheitspotential (BSFP) gibt an, wie viel Feuchtigkeit unvorhergesehen durch Undichtigkeiten, Flankendiffusion, feuchte Baustoffe in eine Konstruktion eindringen kann, ohne einen Bauschaden zu verursachen. Zur Feststellung des BSFP werden zu Beginn des Rechungslaufes 4 Liter Wasser je m² in die Dämmstoffebene eingebracht. Das Bauschadensfreiheitspotential entspricht dann der Entfeuchtungsleistung im ersten Jahr der Simulation.

In Forschung, Praxis und Normung hat sich gezeigt und wird davon ausgegangen dass Bauteile nicht 100% luftdicht sind. Luftwechselraten welche für Gebäude ermittelt werden, beschreiben nichts anderes als eine bestehende Luftundichtheit. Daher ist mit, quasi ständigen, Feuchteeinträgen in eine Konstruktion durch Raumluft zu rechnen. Auf Grund dieser Tatsache sollten Bauteile nicht nur ein entsprechendes Bauschadensfreiheitspotential aufweisen, sondern es sollte ebenso die Gebrauchstauglichkeit sichergestellt sein.
Die Gebrauchstauglichkeit wird dann erreicht, wenn bei der Simulation mit einer definierten Undichtheit (Luftinfiltration) das Holz und die Holzwerkstoffe im trockenen Bereich bleiben. Hierfür kann das Luftinfiltrationsmodell des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik herangezogen werden. Bei diesem Modell können je nach Luftdichtheit der Gebäudehülle q50-Werte von 1, 3 bzw. 5 m³/m² simuliert werden. Bleiben die kritischen Bauteilschichten trocken ist die Gebrauchstauglichkeit gewährleistet.
Mit der Auswertung der numerischen Simulation des Bauschadensfreiheitspotentials und der Gebrauchstauglichkeit kann festgestellt werden, dass keine Gefährdung für Bauwerk (Standsicherheit) und Bewohner (Gesundheit) besteht.

Fazit

Mit dem Glaser-Verfahren lässt sich nur das Verhalten von Dampfbremsen mit konstantem Diffusionswiderstand darstellen, Feuchteströme und reales Bauteil- und Baustoffverhalten hingegen nicht. Durch das unrealistische Blockklima (60-Tage Winter bei –10°C und 90-Tage Sommer bei +12°C) bietet das Glaser-Verfahren lediglich eine grobe Einschätzung für das Bauteilverhalten. Das Glaser-Verfahren ist in DIN 4108-3 als Berechnungsgrundlage für die Planung und Ausführung zum klimabedingten Feuchteschutz festgeschrieben. Die Entwicklung in der schweizerischen Normierung deutet darauf hin, dass das Glaser-Verfahren zunehmend an Gewicht verliert. Numerische Simulationsverfahren können das tatsächliche Bauteilverhalten am Besten darstellen. Mit diesen Verfahren lassen sich im Bauwesen vorkommende Konstruktionen sicher bewerten.

Zitat aus DIN EN 15026, Einleitung

„Während das Glaser-Verfahren lediglich die stationäre Wärmeleitung und Dampfdiffusion berücksichtigt, spielen in den in dieser Norm behandelten transienten Modellen Wärme- und Feuchtespeicherung, Wirkungen latenter Wärme und der Transport mittels Flüssigkeiten und Konvektion unter realistischen Rand- und Anfangsbedingungen eine Rolle. Die Anwendung derartiger Modelle im Bauwesen hat in den letzten Jahren stark zugenommen, was zu einer bedeutenden Verbesserung der Genauigkeit und Vergleichpräzision der wärme- und feuchtetechnischen Simulation geführt hat.“

Entscheidend für bauschadensfreie Konstruktionen sind ein hohes Bauschadensfreiheitspotential und die Gebrauchstauglichkeit.
Feuchtevariable Dampfbremsbahnen bieten sowohl eine wesentliche Erhöhung des Bauschadensfreiheitspotentials als auch eine sehr hohe Gebrauchstauglichkeit für alle Konstruktionen unabhängig des jeweiligen bauphysikalischen Schwierigkeitsgrades.

Einzelnachweise

  1. MOLL bauökologische Produkte GmbH: WISSEN 2012/13 - Sanierungs-Studie: „Lösungen für die Luftdichtheit bei energietechnischen Sanierungen von Dachkonstruktionen“ , 2012, S. 87
  2. MOLL bauökologische Produkte GmbH: Technik-Info-Ticker (TIK) 04-2012: "Beurteilung von Bauteilfeuchtigkeit – Glaser-Verfahren versus WuFi"; Autor: Dipl.-Ing. (FH) Christoph Böhringer

Siehe auch